Chapter 3 No.3

Ein linder Frühling war dem langen, hartn?ckig um sein Recht k?mpfenden Winter gefolgt, weiche, warme Lüste wehten, der F?hn hatte schneller als sonst den letzten Schnee von den Salzburger Bergen verjagt. In den Th?lern grünte und spro? es aufs neue, die Auen prangten im frischen Lenzeskleid wie die Matten, und nur die Wogen der hochgehenden Salzach bezeugten durch ihr schlammfarbiges Wasser, da? es tief drinnen im Hochgebirge nicht ohne Sturm und Regen Frühling geworden.

Im schmalen Salzachthal, das eingeengt ist durch die Prallw?nde des gigantischen Tennengebirges und westw?rts von dem Felsgewirr des Hagengebirges, erhebt sich ein Steinhügel, auf welchem eine alte Veste thront, Hohenwerfen genannt, eine Zwingburg der salzburgischen Landesherren, im 11. Jahrhundert trutzfest erbaut, und neuerlich bewehrt von Wolf Dietrich im Anfang seiner Regierung, auf da? sie dem Fürsten zum Schutz diene gleich Hohensalzburg in etwaigen Kriegsf?llen.

Die linde Frühlingszeit hatte den jungen Landesherrn verlockt mit ihrem balsamischen Odem, der ihn so sehr an die weichen Lüfte Italiens gemahnte. Wolf Dietrich war, seinem lebhaften Temperament folgend, urpl?tzlich nach Werfen ausgebrochen, und so sa? er nun im bequemen Hausgewand, das aber durch reiche Pelzverbr?mung immer noch an fürstlichen Prunk gemahnte, in einer Art Loggia, die auf sein Gehei? in einem Wehrturm der obersten Burgmauer eingebaut worden war, und lie? zeitweilig den Blick schweifen hinüber in das Felsgewirr der wuchtigen Mauer des Tennengebirges und dann wieder hinab in das grüne Salzachthal. Für eine Weile blieben die vor ihm auf dem Eichentische liegenden Bl?tter, Briefe des Astronomen Tycho Brahe, mit welchem Gelehrten Wolf Dietrich in schriftlichem Verkehr stand, unbeachtet; ein Tr?umen ist's mit offenen Augen, ein willig Hingeben einem wohligen Gefühle errungenen Glückes, und ein zufriedenes L?cheln zeigte sich auf den Lippen, so der Fürst im winzigen Zierg?rtchen, das zwischen der Umfassungsmauer und dem eigentlichen Burggeb?ude eingebettet lag, der schlanken, liebreizenden Gestalt Salomes ansichtig ward.

Die sch?ne Salome liebkoste manche Blütenknospe, eine herrlich erblühte Blume selbst unter den Blümelein des G?rtchens, und ihre weiche Hand strich sanft über eine halberblühte Heckenrose, deren Wurzel lieber im brüchigen Gem?uer zu wurzeln schien, denn in der üppigen Gartenerde. Mitten im t?ndelnden Spiel und Kosen hielt Salome inne, die halboffene Blüte schien sie an etwas zu gemahnen; das glückliche L?cheln erstarb, die Stirn umdüsterte sich, das sü?e Wangenrot verbla?te. Die bebende Hand brach das Heckenr?slein ab, ein Dorn ri? ein, und ein Tr?pflein rotwarmes Blut zeigte sich am verletzten Finger.

Ein leiser Schrei drang zu Wolf Dietrich und lie? ihn aufblicken, der

Fürst gewahrte die Ver?nderung in Salomens Wesen sogleich, und besorgt

rief er, sich über die Loggienbrüstung beugend, hinunter, nach der

Ursache der Verst?rtheit fragend.

J?h erglühte Salome, und winkte hinauf mit einer Geste, die besagen wollte, da? nichts von Belang sich ereignet habe.

Doch der lebhafte Fürst lie? sich damit nicht beschwichtigen, er verlie? sogleich die Loggia und nach wenigen, weitausholenden Schritten war er bei Salome. ?Was ist dir, Carissima? Hat ein Dorn dich verletzt? Wer Rosen pflückt, darf der Dornen nicht achten! Komm, meines Lebens Licht und Wonne, wir wollen die Wunde verbinden!"

?Nicht doch, mein gn?diger Herr! Ein Mahnen war es, das pl?tzlich mich verschreckte!"

?Ein Mahnen? Was sollt' es sein?"

?Ja, ein Mahnen, gn?diger Gebieter! Beim Anblick dieses halberblühten R?sleins fuhr die Gemahnung mir durch den Sinn, da? ich wohl selbst nichts anders bin denn diese kaum erblühte, schlichte Blume...."

?Ein sü? Gebild, der Blumen herrlichste ist meine Salome!" schmeichelte der galante Fürst.

?Nicht so, o Herr und Gebieter, ist's gemeint! Ein Heckenr?slein nur, die wilde Rose, wie sie w?chst in Rain und Wald, entbehrend der f?rdernden Hand -"

?Auch solche Blume hat doch ihren Reiz, ist sch?n in ihrer

Schlichtheit!"

?Doch niemals wird sie eine Edelrose!"

Der klagende Ton fiel dem Fürsten auf, weich sprach Wolf Dietrich:

?Gr?me dich nicht darob, es mu? auch wilde Rosen geben!"

Ein Seufzer entwich der bewegten Brust des M?dchens.

?Was ist dir nur, Geliebte?"

?Das Mahnen ist's, das Schmerz mir bringt in meine Brust; nie wird das

Heckenr?slein eine Edelrose, und so erblick' ich meine Zukunft!"

?Scheuch solche Gedanken nur von hinnen, Geliebte! Du bist mein alles, meines Lebens Wonne! Nie werd' ich von dir lassen! Die Sorg' um dich ist meines Daseins oberstes Gesetz!"

?Steckt dieses Heckenr?slein in die beste Erde, pflegt und betreuet sie, eine Edelrose wird es niemals werden!"

?Geliebte! Was soll dies Wortspiel in der Wiederholung? Du bist an meiner Seite einer Fürstin gleich -"

?Doch niemals ebenbürtig und des Segens entbehrt unser Bund! Eine Zuflucht fand ich in Eurem gastlich Haus und bin nichts anderes denn ein Gast, dem gesetzt ist immer die bestimmte Zeit!"

?Salome! Ich bitte, jag' die trüben Gedanken weg! Nur froh und glücklich

will meine Herzensk?nigin ich wissen, ein zufrieden sü?es L?cheln als

Zierde sehen auf deinen Rosenlippen! Nur keine Schatten und des Grames

Falten, die hass' ich und will verbannt sie wissen aus meinem Leben!"

?Verzeiht mir, gn?diger Gebieter! Nicht will ich Unmut Euch bereiten, aufheitern Euch und versch?nern gern das Leben! Doch erh?ret, Herr, auch meine Bitte: Gebt unserem Bund die Weihe, die gew?hrt ist dem ?rmsten Paar von Euren Unterthanen!"

Eine Falte zeigte sich in des Fürsten Stirne und Unmut auf den zur

Antwort leicht ge?ffneten Lippen.

Doch ehe Wolf Dietrich Antwort gab auf die flehentliche Bitte des

sch?nen M?dchens, kam der K?mmerling heran, der unter einer tiefen

Verbeugung meldete, da? der Dechant von Werfen Seiner Hochfürstlichen

Gnaden unterth?nigste Aufwartung zu machen erschienen sei und im

Audienzzimmer harre des gn?digen Empfanges.

?Soll warten! Ich komme alsbald!" erwiderte der Fürst, und geleitete

Salome in die Burg.

Erst vertauschte Wolf Dietrich unter Beihilfe des Kammerdieners Mathias das Hausgewand mit der spanischen Ritterstracht, doch nahm der junge Gebieter den stolzen Federhut nicht mit, als er dann unter Vorantritt von Pagen und dem K?mmerer sich in das Audienzgemach begab.

Der harrende Dechant war eine hagere, mittelgro?e Gestalt mit strengen Zügen im scharfgeschnittenen Gesicht, grauen Augen, kurz geschorenem Haupthaar, ein Mann von Gemessenheit, erfüllt vom Gedanken an priesterliche Würde und Pflichttreue; dabei schien die ganze hagere Gestalt die Verk?rperung eines eisenstarken Willens, einer Unbeugsamkeit in allen Dingen zu sein.

Beim Eintritt des Fürsten und Erzbischofs wich in des Pfarrherrn Auge die Eisesk?lte und Starrheit, die Lippen ?ffneten sich, ohne einen Laut durchzulassen, grenzenlose überraschung bekundete die vorgebeugte Haltung des K?rpers und die ausgespreizten Finger beider H?nde. Einen Kirchenfürsten in spanischer, weltlicher Rittertracht hat der Dechant noch nicht gesehen und eher des Himmels Einsturz erwartet, als Salzburgs Erzbischof in solcher Gewandung zu erblicken. So stand der Pfarrer fassungslos und schluckte, er brachte nur das ?salve" heraus, alles andere der lateinischen Ansprache blieb im Halse stecken.

Die gute Laune Wolf Dietrichs, der ungemein empfindlich in Etiketteangelegenheit und rasch verletzt in seinem Herrschergefühle war, wich augenblicklich bei solch' respektloser Haltung eines Unterthanen, der ganze Hochmut kam zum Ausdruck, als der Fürst h?hnend, ja ?tzend scharf rief: ?K?mmerling, bring' Er dem Bauerpfarrer h?fische Sitte bei und lehr' Er ihm, da? man den gn?digsten Landesherrn nicht mit ?salve' begrü?t, den Fürsten auch nicht angafft!"

Die verletzend scharfe Lektion hatte bei dem ?ltlichen Pfarrer keineswegs die erwartete Wirkung; statt etwa vor dem Landesherrn und h?chsten kirchlichen Vorgesetzten huldigend das Knie zu beugen, richtete sich der asketische Dechant auf und blickte fest auf den zornigen, kleinen Fürsten. Kalt sprach der Pfarrherr: ?Mit gn?diger Verlaubnis! Einer Lektion von H?flingen bedarf es nicht, ein Priester Roms wei? Ehrerbietung und schuldigen Gehorsam zu bekunden seinem hochwürdigsten Erzbischof!"

Wolf Dietrich stutzte unwillkürlich, die Gemessenheit wie Kühnheit dieser Ansprache lie? ihn ahnen, da? dieser Pfarrer doch anders geartet sein dürfte, als es sonst um jene Zeit der Landklerus war; ein Niederschmettern schien hier nicht opportun zu sein, wiewohl das aufbrausende Temperament des Fürsten hierzu treiben wollte. Immerhin kehrte Wolf Dietrich die hochfahrende Seite heraus in der Erwiderung: ?Es wird sich zeigen, was Er wei? und wie es bestellt - mit dem schuldigen Gehorsam!" Zugleich winkte der Fürst den Begleitern, sich zu entfernen.

Auge in Auge standen sich Erzbischof und Pfarrer gegenüber; letzterer an

Haltung, Antlitz und Kleidung sofort als Priester erkennbar.

Wolf Dietrich stützte die Linke auf den Degenknauf, w?hrend seine Rechte das Schnurrb?rtchen aufzuzwirbeln begann. Ungeduldig klang sein ?Nun?"

?Euer erzbisch?fliche Gnaden...."

?Man tituliert mich: Hochfürstliche Gnaden!"

?Euer erzbisch?fliche Gnaden wollen meiner überraschung, ja Verblüffung zu Gute halten, da? mir die schuldige ehrerbietige Ansprache stecken blieb in der Kehle! Den hochwürdigsten Erzbischof glaubt' ich im kirchlichen Ornat erblicken und erwarten zu dürfen...."

?Ich kleide mich nach meiner Wahl und kann der Meinung Untergebener und

Unterthanen allezeit entbehren! Was will Er?"

?Euer erzbisch?flichen Gnaden wollt' schuldige Aufwartung ich erstatten, wasma?en Hochdieselben Aufenthalt genommen in meinem Pfarrsprengel."

?Das ist Seine Pflicht und Schuldigkeit und h?tte vor Tagen schon geschehen k?nnen. Ihm fehlt es wohl nicht an Zeit, dafür an Verst?ndnis h?fischer Sitte wie an schuldiger Unterwürfigkeit! Merk' Er sich solche Lehre! Und nun bericht' Er über Stand und Verh?ltnis seiner Pfarre!"

?Es ist viel des üblen dem hochwürdigsten Oberhirten zu referieren, wenig des Guten! Auch in diesseitigem Pfarrsprengel tauchen Kalixtiner[4] immer wieder auf, so streng auch dagegen eingeschritten wurde."

?Das wird in specie noch zu regeln sein! Wie steht es mit dem Klerus?"

?In einigen exemplis kann ich guter Antwort sein. In loco ist ein gehorsamb Volk, meine Gsellpriester (Hilfsgeistliche) flei?ig, einer davon de sacramentis omnino pie sentit, de vita nulla hic est querela. Mein benachbarter Amtsbruder predigt flei?ig von der Me?', hat ein frumb V?lkel, braucht katholische Bücher, auch in der Fasten Nachmittag, hat so lang er Priester ist, keine K?chin, haust mit seiner Schwester. Auch einige andere Thalpfarrer leben ohne Konkubinen. Aber schlimmer ist's im Gebirg, die Expositi und Kuraten wollen nicht ablassen, besonders der Kurat von Skt. Jodok in der Ein?de ist renitent, reif zum davonjagen cum infamia, conjugatus est...."

?Wer ist das?"

?Der Kurat von Skt. Jodok in der Ein?de, an die 70 Jahre alt und verheiratet, horribile dictu. Eine himmelschreiende Schande für meinen Sprengel! Ich aber leid' es l?nger nicht und mü?t' ich nochmal Gewalt gebrauchen! Verjagt hab' ich des Frevlers l?sterliches Weib, hinausgeprügelt aus dem Widum! Und bei der letzten Visitation, die unvermutet ich vorgenommen, fand ich das alte Kebsweib wieder vor! Herr Erzbischof, werdet hart, gebt was der Kirche ist und fahret mit strengem Arm dazwischen, reiniget, fegt sie hinaus, die sch?nden unsern Stand! Vernichtet und vertilgt die Frevler gegen C?libat und sonstige Vorschrift! Greift ein, fest und bald, beseitigt die Quelle und Ursache der geistlichen Entartung unserer schrecklichen Zeit, so da ist die scientivische Unf?higkeit der Gsellpriester und Ein?dkuraten! Die Unwissenheit schreit zum Himmel! Wir haben Priester, die nicht angeben k?nnen die Zahl der Sakramente, die Schriften haben von den schrecklichen Luther, Zwingli, Melanchthon und Brenz, darin kümmerlich lesen und gar nicht erkennen die Gefahr! Fluch ihnen! Pech und Schwefel soll sich ergie?en über solche Sünder! O, helft mit beim Rettungswerke, zur Purifikation der verderbten Sittenzust?nde im Erzstift, die zum Himmel schreien!"

Der Dechant hatte sich in eine Erregung geschrien, die ihn n?tigte innezuhalten und Atem zu sch?pfen.

Kühl sprach Wolf Dietrich unter Ignorierung der donnernden Philippika des Asketen: ?Also jener Kurat hochbetagt ist conjugatus, verheiratet! Den Mann will ich sprechen!"

?So wollt Ihr, gn?diger, hochwürdigster Herr und Erzbischof, statuieren ein Exemplum?!"

?Das wird sich zeigen! Bestell' er mir das Paar auf n?chsten Freitag, das ist also übermorgen Vormittag zehn Uhr!"

?Das Paar?" fragte gedehnt, seinen Ohren nicht trauend, der Dechant.

?Den Kuraten und sein Weib, jawohl! Ich will das Paar sehen und meine

Meinung fassen über Mann und Weib!"

?Und wann darf ich erhoffen ein Mandat, die Purifikation meines

Sprengels?"

?Das wird sich alles finden! Erst mu? geprüfet werden! Davongejagt sind sie schnell, fraglich bleibt, wo bessere wir finden. Doch soll es an wirksamer Reinigung des Klerus nicht fehlen! Ich danke Euch für diese Relation! Verweilt noch etwas auf der Burg, erlustieret Euch im Garten, nicht mehr ferne ist die Zeit, da wir zum Mahle schreiten, und ich lade Euch hiezu als Gast!"

?Euer erzbisch?flichen Gnaden danke ich submissest und werde auf Zeichen und Gehei? mich rechtzeitig einfinden!"

Wolf Dietrich reichte dem Pfarrer die Rechte zum Handku? und gehorsam unterth?nig drückte der Dechant die stoppelreichen Lippen auf die Hand des Fürsterzbischofes.

Damit hatte die Audienz ihr Ende. Der Pfarrer begab sich in das Burgg?rtchen, Wolf Dietrich in sein Gemach, worin er dann nachdenklich in sich versunken eine Weile blieb und mehrmals flüsterte: ?Conjugatus est!"

Der überraschung zweiter Teil sollte dem Landpfarrer die fürstliche Hoftafel bringen, die gem?? dem eigenh?ndig entworfenen Ceremoniell Wolf Dietrichs nach h?fischer und f?rmlicher Weise auch in der einsamen Burg Hohenwerfen abzuhalten war. Zwei der K?mmerer waren mit, ebenso einige der Edelknaben, der Stebelmeister und ein ziemlich zahlreiches Gefolge zur Betreuung von Küche, Keller und Marstall. Im Bankettsaal harrte der hagere Pfarrer, welchem der gleichfalls zu Tisch befohlene Hofmarschalk und Chef der fürstlichen Hofhaltung Gesellschaft leistete, bis das Zeichen der Ankunft des Fürsten gegeben wurde.

Zwei Edelknaben, ein Fourier, der K?mmerer vom Dienst und der Stebelmeister schritten feierlich herein, ihnen folgte Wolf Dietrich, der am Arm die sch?ne Salome führte und durch das Spalier der sich tief verneigenden Hofbeamten und sonstiger Dienerschaft geleitete.

W?hrend Salome beim Anblick des fremden geistlichen Gastes aus Scham über ihre Stellung und illegitime Beziehung zum Fürsten err?tete, fixierte Wolf Dietrich den asketischen Pfarrer, dem vor überraschung und Schrecken über den unerwarteten Anblick die Augen aus den H?hlen quollen und der Mund weit offen stand.

Mit tiefen Verbeugungen hatte sich der Hofmarschalk dem Paare gen?hert und h?fischer Sitte entsprechend der Dame Honneurs erwiesen, so da? der Pfarrer allein, verlassen, in hilfloser Verlegenheit stand, bis ihm der rettende Gedanke durch den Kopf scho?, da? die Dame m?glicherweise doch die Schwester des Erzbischofes sei.

Wolf Dietrich mochte dem Pfarrer solchen Gedanken von der Stirne abgelesen haben, vielleicht machte ihm ein bi?chen Qu?len Spa?, er geleitete zum Cercle seine Dame am Arm einige Schritte weiter und sprach den verblüfften Pfarrer an: ?Eh' wir zu Tische gehen, sei Ihm die Gnade gew?hret, zu huldigen der - Fürstin!"

?I - ich -!" schluckte der Pfarrer und würgte, ohne den beabsichtigten

Satz: ?Ich glaub's gleich?!" herauszubringen.

Boshaft wiederholte Wolf Dietrich: ?Ihre Hochfürstliche Gnaden Fürstin

Salome, meines Lebens Sonne und Glück!"

Salome drückte den Arm des Fürsten und flüsterte flehentliche Worte, doch dieser Qual und besch?menden Scene ein rasches Ende zu bereiten.

Der Pfarrer aber stotterte: ?Fürstin? Ergo conjugatus est archiepiscopus?"

Wolf Dietrich nickte vergnügt und weidete sich an dem Gesichtsausdruck des Pfarrers, an der grenzenlosen Verblüffung.

Doch pl?tzlich ver?nderte sich das Bild: der Pfarrer hatte die Herrschaft über sein Denken und Fühlen wiedergewonnen und damit die Kraft flammender Rede. Hochaufgerichtet, im Brustton heiliger überzeugung, durchglüht von fanatischem Feuer, rief er: ?Haltet ein, Herr, Fürst und Erzbischof! Verdorren soll mir der Fu?, ehe ich ihn setze zum Schritt an Euren Tisch! Euch ruf' ich zu die Worte des gro?en Papstes Gregor VII.: Non liberari potest ecclesia a servitute laicorum, nisi liberantur clerici ab uxoribus! Dies gro?e Wort gilt heilig für alle Zeiten und auch dem Salzburger Erzbischof! Roms Priester ruft Euch zu: Bangt Euch nicht vor der schweren Sünde wider der Kirche heiliges Gebot? K?nnet Ihr vor Gottes Richterstuhl verantworten der Sünde Bund? Welch' Beispiel gebt Ihr uns Priestern, Ihr der H?chste über uns nach des Papstes Heiligkeit?! Wie soll der Klerus gereinigt werden, gel?utert, befreit von der Sünde Banden, wenn solches Beispiel von der h?chsten Seite sinnverwirrend, frevlich wird gegeben?! Sünde allum, vereinsamt steht die Tugend, allein der Gerechte! Straft mich um meiner Worte willen, begrabt mich lebend in den Kerkern Eurer Trutzburg, mordet mich: Fest bleib' ich und halte hoch der Kirche Gebot, der Himmel ist mit mir, Euch aber droht Verdammnis und - -"

K?mmerer und der Hofmarschalk wollten sich auf den Rasenden werfen;

Salome erlag einem Ohnmachtsanfall, Wolf Dietrich umfing sie mit rasch

ge?ffneten Armen, in seiner Sorge und Angst um die Geliebte rief er um

Hilfe und befahl, man solle den Medikus und die Kammerfrau holen.

?Gottesstrafe vollzieht sich zur Stunde!" rief gellend der fanatische Pfarrer, den die Hofbeamten nun ergriffen und eiligst aus der Burg führten.

Die Tafel unterblieb. In banger Sorge harrte Wolf Dietrich des ?rztlichen Bescheides, still ward es in der Burg. Nach einer Stunde etwa konnte dem Fürsten gemeldet werden, da? der Anfall vorüber und keine Gefahr vorhanden sei, doch bedürfe die Gn?dige der Ruhe und Schonung.

Beruhigt ob dieses Berichtes konnte sich Wolf Dietrich seinen

Regierungsgesch?ften widmen und wie er sich anschickte, die vom Kanzler

ausgefertigten Edikte zu unterzeichnen, kam ihm erst der vom Werfener

Pfarrer heraufbeschworene Auftritt wieder ins Ged?chtnis und damit der

Zorn über die unerh?rte Sprache eines Untergebenen, ein Zorn, der den

K?rper erbeben machte und nach Rache lechzte.

Doch ward eben vom K?mmerling neuer Besuch gemeldet, und Wolf Dietrich hie? barsch, jedermann abzuweisen.

?Es ist Domkapitular Graf Lamberg!" wagte der K?mmerer schüchtern einzuwenden.

?Wie? Graf Lamberg! Mein Freund, ja, der kommt zur rechten Stunde! Führ' ihn sogleich zu mir!" Wolf Dietrich fuhr mit der Rechten über die Stirne, als wollte er die unangenehmen Gedanken wegstreichen, doch gelang es ihm nicht, die Erregung zu bannen. Es erschien die aristokratische Gestalt des Kapitulars Johann Grafen von Lamberg in der Thür und erwies dem Fürsten tiefste Reverenz.

?Willkommen, Freund, auf Hohenwerfen! Salve!" rief Wolf Dietrich und schritt dem Kapitular entgegen.

?Euer Hochfürstliche Gnaden wollen die St?rung permittieren, ich komme in dringlicher Angelegenheit!"

?Nochmals willkommen, Freund! Und gleich sei beigefüget, da? Lamberg kommt mir sehr gelegen!"

Nach herzlicher Begrü?ung, die auf vertraute Freundschaft schlie?en lie?, wenngleich der Kapitular die h?fisch zeremoniellen Formen, besonders in der Titulatur streng beobachtete, nahmen beide Herren im Erker Platz, wohin der Fürst Erfrischungen für seinen Gast schaffen lie?.

Nach dem Willkommstrunk sprach Wolf Dietrich: ?Lamberg, du kommst wie gerufen und sollst ein traulich Wort mir sagen, ehe ich zum Strafgericht schreite über einen Vermessenen!"

Der Kapitular blickte auf, sein forschender Blick suchte im unruhig flackernden Auge des fürstlichen Freundes zu lesen.

Rasch erz?hlte Wolf Dietrich den Auftritt, wobei sein Antlitz sich umdüsterte und die Stimme grollte wie der Donner in schwüler Gewitternacht.

?Ein Affront, den ich zu r?chen wissen werde! Der tiefste Kerker sei zu gut für den Vermessenen, sein Leben sei verwirkt!"

Tiefernst war Lambergs Gesichtsausdruck geworden. Für einen Augenblick herrschte beklemmendes Schweigen im hohen Gemache. Dann legte der Kapitular seine Hand auf die Rechte des Fürsten, wie wenn er damit beruhigen wollte, und erwiderte: ?Hochfürstliche Gnaden wollen in dem tiefbedauerlichen Falle absehen von der Beleidigung der Person des Fürsten und den Auftritt nur betrachten vom Standpunkt des hochwürdigsten Erzbischofs!"

?Wie? Was willst du damit sagen? Ist deiner Rede Absicht, einem Bauernpfarrer das Recht zu vindizieren, seinen Bischof zurecht zu weisen?!"

?Mit nichten, Hochfürstliche Gnaden, keineswegs! Es giebt kein solches Recht, es kann ergo auch nicht vindiziert werden. Immerhin besteht die M?glichkeit, sie ist durch den beklagenswerten Vorfall ja erwiesen, da? in Ekstase ein Priester Worte des Tadels richtet an seinen h?chsten Vorgesetzten, in Ekstase, im Glauben, Recht zu thun, so er Sünde erblickt im Wandel seines Bischofs."

?Du, mein Freund, ein Lamberg sagt dergleichen mir?" rief vorwurfsvoll der Fürst.

?Mit nichten ist es meine Absicht, des gn?digsten Fürsten Thun und

Wandel irgend einer Kritik zu unterziehen. Was ich aber in schuldiger

Ehrfurcht unterlasse, thun andere mit desto gr??erem Freimut. Der

Werfener Pfarrer wird niemals zu exkulpieren sein; was er sprach, war

nicht an den Fürsten, war an den Bischof gerichtet, und nach dieser

Rechtslage dürfte der Fall zu erledigen sein."

?So soll ich mir als Archiepiscopus dergleichen Infamien gefallen lassen? Lamberg, du kennst einen Raittenau schlecht, sehr schlecht!"

?Ich kenne meinen gn?digsten Herrn seit manchem Jahr, aus Zeiten fr?hlicher Jugend wie noch her vom ewigen Rom. Wollen mir Euer Hochfürstliche Gnaden verwarten, sprech' ich offen aus in memoriam juventutis: Ein Presbyter von tadellosem Lebenswandel, korrekt nach Pflicht und Vorschrift amtierend, dazu vielleicht ein Fanatiker, kann vergessen die Kluft, so bestehet zwischen Erzbischof und Landpfarrer, kann in Ekstase eine C?libatsverletzung für ein Verbrechen halten, dessen Gr??e den Verstand verwirrt. Getrübten Sinnes, doch ehrlichen Herzens dabei, l??t sich der Fanatiker hinrei?en, am h?chsten Vorgesetzten das zu tadeln, was am Amtsbruder er für die gleiche Sünde, für Verbrechen wider die Kirche h?lt!"

?Bedenke, Freund, der Tollgewordene schrie das vor versammeltem Hof, in meiner Gegenwart, er schrie es in Salomens Ohren!"

?Gn?digster Herr! übet Milde! Ein Bauernpfarrer im Gebirge wei? nichts von h?fischen Sitten, auch fehlt zumeist Gefühl und Takt. Der Mann meinte es ehrlich, sprach es grob, beleidigte zarte Ohren und holde Weiblichkeit. Den Fürsten kann er nicht beleidigen...."

?Und den Erzbischof?"

?Auch den nicht! Will der gn?digste Herr aber strafen den Vermessenen, so m?ge eine Erw?gung Platz greifen: Einwandfrei ist die Anwesenheit einer Herzensdame nicht im Hause eines Kirchenfürsten!"

?So mi?billigt ein Lamberg meine Wahl....?"

?Ich habe nichts zu genehmigen, nichts zu mi?billigen. Ich bitte nur, jener Erw?gung eine kleine Beachtung zu g?nnen, sie wird wohlth?tig wirken beim Ausma? der Strafe!"

Wolf Dietrich hatte sich beruhigt; er schwieg eine Weile und blickte durchs Fenster hinaus in die Thalung. Dann sprach er: ?Ja, so spricht ein wahrer, trauter Freund und Edelmann! Den Vermessenen laufen zu lassen, f?llt mir schwer, doch will ich ihm die Strafe schenken, wasma?en ich Salome behalte, und wenn der ganze Klerus dagegen geifert."

?So ist es unerschütterlicher Wille?"

?Ja! Und - Dir will ich's anvertrauen - erst heute wieder bat meines

Herzens K?nigin, zu festigen den Lebensbund auf legitime Weise!"

?Nunquam!"

?Wie?"

?Niemals! Ich bitte Euer Hochfürstliche Gnaden, diesen Schritt niemals zu thun!"

?Perchè?"

?Darf ich ehrlich, offen meiner Meinung Ausdruck geben?"

?Ich bitte dich darum, mein Freund!"

?Lebt mit Salome, gn?diger Herr, stellt die Dame an die Spitze Eures Hofes, erhebt sie zur Fürstin, wie Ihr wollt, nur weist den Gedanken an eine kirchliche Trauung weit von Euch und immer!"

Stolz erwiderte Wolf Dietrich: ?Ich bin der Fürst und Herr des Landes! Weit und m?chtig sind meine Beziehungen zu Rom! Der Papst, von meinem Ohm gebeten, wird Dispens wohl ad hoc erteilen! Gro? ist die exceptio, ich geb' es willig zu, die Welt hat solche Ausnahme noch nicht erlebt! Bin ich aber nicht ein Fürst, dem man eine Ausnahme und sei es die gr??te, kann gestatten?"

?Ein Fürst zum Glück und Wohl des Landes, ein Fürst, um den Salzburg man beneiden kann! Gleichwohl rat' ich Euch, ich fleh' Euch an: Verzichtet auf das ehlich Band!"

?Du kennst sie nicht, die sü?e, herrliche Salome! Mir schneidet ins Herz ihr demütig Bitten um Legitimit?t des Bundes! Der letzte Kurat in weltverschlagener Ein?d' hat ein Weib, und Rom ist darob nicht zu Grund gegangen, die Welt steht noch und an der Spitze der Christenheit der Papst - sollt' mir verwehrt sein, was dem Geringsten meiner Untergebenen verstattet ist -?"

?Verstattet ist es Keinem, und Rom mi?billigt jede Priesterehe! W?ren nicht so tief gesunken die Sitten, verderbt die Zeiten, verwahrlost der Priesterstand unserer Tage, es g?be keine C?libatsverletzung, wie sie beklagenswert ist eingerissen auch in Salzburgs Klerus. Wenn Rom, uner?rtert bleiben die Motive, duldet solche offenbare Verletzung kirchlicher und p?pstlicher Gebote, so kommt solche Duldung niemals gleich einer Genehmigung, man darf selbst von Toleranz nicht sprechen! Aufgabe der Kirchenfürsten unserer Zeit ist Purifikation des Priesterstandes, die restauratio religionis! Auch Euch, gn?digster Herr, obliegt solche Aufgabe! Wie wollt Ihr sie l?sen, wenn eine Ehe wider p?pstliches Gebot Euch die H?nde bindet, Euch notgedrungen in den Verdacht des Luthertumes bringet?!"

?Bist du nicht p?pstlicher denn der Papst, Lamberg?"

?Nein, gn?diger Herr und Fürst! Lebt nach Gefallen mit Salome, die Mitwelt wird zu entschuldigen wissen diesen Schritt ob der unvergleichlichen Sch?nheit Eurer Dame; lebt gleich wie im kirchlich eingesegneten Bund, doch bleibt ledig! H?ret nicht auf Weiberbitten, achtet nicht der Thr?nen! Der Kirchenfürst hat h?here Pflichten! Denkt an Bayern, Kaiser und Papst!"

Wieder ward Wolf Dietrich nachdenklich, die beredten Worte des vertrauten Freundes schienen auf ihn Eindruck zu machen. Doch reizte ihn der Hinweis auf Bayern und den Kaiser zu einer Erwiderung: ?Was kümmert mich der Bayer, was der Kaiser!"

?Nicht viel, ich geb' es willig zu! Doch Nachbar bleibt der Bayer, und ein gut Einvernehmen ist zu preisen, solang' es eben geht! An Friktionen, mein' ich unterth?nigst, wird es niemals fehlen! Und über des Kaisers Kopf hinweg wird auch der stolzeste Fürst nicht schreiten k?nnen!"

?Du wirst kühn, Freund! Ein Notar des Kaisers kann kaum anders reden!"

?Verzeiht das ehrlich off'ne Wort, gn?diger Fürst und Herr! Ich sprach als Freund, der zu sein mich hoch beglückt, und Freundespflicht ist es, zu gegebener Zeit ein offen Wort zu reden!"

?Gut denn! Es sollen deine Worte Beachtung finden, so ich kann! Was aber sag' ich nur Salome, so sie wieder fleht in rührend sü?er Weise?"

?Vertr?stet auf eine bessere Zeit, verweist auf Rom und die

Schwierigkeit der Dispenserlangung! Zeit gewonnen, alles gewonnen!"

?Du kennst Salome nicht und ihr sü?es Bitten!"

?Wie k?m' der Unterthan zu solchem Glücke!"

?Ja, ein irdisch Glück ist mir geworden, ein traumhaft Glück! Und manchmal will der Gedanke mich beschleichen, als sollt' ich dereinst bü?en für die Wonne des profanen Lebens!"

?Noch lebt mein gn?diger Herr im Glück und in der Blüte! Sorgen genug wird bringen das Alter! Alles zu seiner Zeit! - Doch wenn Hochfürstliche Gnaden verstatten, m?cht' ich erw?hnen der Angelegenheit, die mich veranla?t hat, so schnell es ging, zum gn?digen Fürsten zu eilen!"

?Was soll es sein?"

?Dr. Lueger, in Steuersachen Rat bei fürstlicher Hofkammer, bat mich, die Meldung für ihn, den Vielbesch?ftigten, zu übernehmen, da? Salzburgs Bürgerschaft revoltieren will ob der neuen Steuer auf jeglichen Wein!"

?Sollen dankbar sein, da? ich den Saufteufel ihnen fasse!"

?Und dann ist Dr. Lueger der Meinung, es werde die neue Besteuerung des Adels wie des h?heren Klerus und der Kl?ster sich nicht durchführen lassen. Es regne Proteste in die Hofkammer, man wisse sich nimmer zu helfen."

?Lueger soll nur fest bleiben, ich will die neue Steuer durchgeführt sehen, sie sollen nur zahlen! Auf das Gekreisch geb' ich nichts! Wer zahlen soll, schreit immer! - Doch genug von solchen Dingen. Behagt es dir, liebwerter Freund, so nimm Quartier auf Hohenwerfen, und zum Abendbrot sehen wir uns wieder." Launig fügte Wolf Dietrich bei: ?Graf Lamberg wird sich wohl nicht wie der Werfener Pfarrer scheuen, an meinem Tisch zu sitzen und Reverenz zu erweisen meiner - Fürstin?"

?Euer Hochfürstlichen Gnaden sag' ich submissesten Dank für sothane

Einladung und werd' mich glücklich preisen, der gn?digen Gebieterin die

Honneur bezeigen zu dürfen!"

?Das klingt fürwahr anders als die Werfener Melodei, ich danke dir, Lamberg, und nun auf Wiedersehen! Ich will Salome von deiner Ankunft verst?ndigen!"

Nach kr?ftigem Handschlag verlie? Wolf Dietrich das Gemach, und alsbald holte der K?mmerer den Kapitular ab, um ihm sein Zimmer in der stolzen Burg anzuweisen.

Pünktlich zur festgesetzten Stunde erschien auf Hohenwerfen der alte Kurat mit seinem Weibe von Skt. Jodok in der Ein?de. Ein Greisenpaar, die dünnen Kopfhaare wei?, müde, abgeh?rmte Gestalten, gebrechlich, hinf?llig. Der alte Kurat trug ein langes, verschabtes Gewand, einer Kutte ?hnlich, das im Laufe der Jahre die Farbe v?llig verloren hatte und schier fuchsig, verschossen geworden war. Und verwildert sah auch der Kopf des Ein?dgeistlichen aus, Wangen und Kinn umwuchert von wei?em Bart, die Augenbrauen buschig und selbst aus den Nasenl?chern hingen Haarbüscheln hervor. Sanft und liebreich dagegen war des alten Priesters Blick, fromme Kinderaugen, und mild die Stimme, als der Ein?der dem Burgvogt sagte, der Jodoker Kurat sei um diese Stunde befohlen vom hochwürdigsten Erzbischof.

Zweifelnd besah der Kastellan diese, eher an einen Bettler denn einen

Geistlichen gemahnende Gestalt. ?Ich wei?, da? der Jodoker Kurat zur

Audienz befohlen ist. Was aber will Er denn hier auf Hohenwerfen?"

Vor Müdigkeit, ermattet vom beschwerlichen Marsche aus dem Gebirge herab, bat der alte Mann, sich setzen zu dürfen.

?Das fehlte noch! Im Burghof dulden wir keine Bettler, das Almosen wird unten im Dorf gereicht!" rief grob der Vogt.

?Mit Verlaubnis, Herr! Ich bin ja der Kurat von Skt. Jodok und hier ist mein braves Weib, das der gn?dige Herr gleich mir zu sehen wünscht!"

?Haha! Das glaube, wer will! So ein Hungerleider will geistlich sein und hat in seiner Not gar noch ein Weib! Flink auf und hinunter, oder ich mache Euch Beine!"

Unter dem Thorbogen der Burg erschien Salome, in ein kostbar Gewand gekleidet, das Blondhaar offen tragend über die Schultern gleich einem Strahlenkranz von hellem Golde. Salome hatte die rauhe Aufforderung geh?rt, und Mitleid erfa?te sie beim Anblick des gebrechlichen Paares, insonders fühlte Salome Erbarmen für die Greisin, die den ?ngstlichen Blick auf den Vogt gerichtet und wie zum Schutz die kn?cherige Hand auf das Haupt des Gatten gelegt hatte. Mit heller Stimme rief Salome: ?Vogt! Sind die Leute von Skt. Jodok, so führt sie herein in die Erkerstube; der gn?dige Herr hat Mann und Weib befohlen!"

Wie umgewandelt zeigte sich der Burgvogt, h?flich verbeugte er sich und erwiderte unterwürfig: ?Der Mann sagt wohl, er w?r der Jodoker Kurat, sein Aussehen straft seine Rede Lügen! Mich will bedünken, in dem Verzug darf niemand vor dem gn?digen Herrn erscheinen!"

Salome war n?her getreten und richtete an die Greisin liebreich und mild die Frage: ?Seid Ihr das Kuratenpaar von Skt. Jodok?"

Vor Freude bewegt meinte das runzelige, kleine Weiblein: ?I freilich,

sch?nes Fr?ulein! An die vierzig Jahre hausen wir schon oben in der

Ein?d', der Welt v?llig entfremdet und doch zufrieden! Was nur der Herr

Erzbischof von uns will?"

?Das wird der gn?dige Herr Euch schon selber sagen! Kommt nur mit, und vor dem Empfang soll eine Kanne Weines und ein Bissen Brot Euch noch erquicken!"

?I, ist das sch?ne Fr?ulein aber gut und lieb! Der Himmel soll's Euch lohnen dereinst an Euren Kindern!"

?Pst, pst!" mahnte der Kurat.

?I, freilich! Solche Sch?nheit wird nicht lange ledig bleiben! Oder seid Ihr gar schon Ehefrau, gern will ich's glauben! Hab' meiner Lebtag' so sch?nes Haar und Gesicht nicht gesehen und ich leb' schon lang! Freilich, viel herumgekommen bin ich nicht, allweil oben in der Ein?d' und um meinen Brummb?ren besorgt, der ist aber die gute Stund' selber und mit dem Bei?en hatt' es nie Gefahr!"

Silberhell lachte Salome auf und geleitete das zappelnde, frohbewegte

Paar ins Innere der Burg. Rasch besorgte ein Diener Wein und Brot;

Salome go? die Becher voll und hie? die Leutchen trinken.

Der Kurat stellte den erhaltenen Becher vor sich auf den Tisch und murmelte erst ein Gebet, eh' er zugriff; dann sprach er: ?Gott vergelt' Euch den Willkomm und die frohe Spende! Der Labtrunk ist den Müden und Durstigen eine Wohlthat, die wir ehrlich Euch verdanken! Gott zu Ehr' und Preis und auf Eure Gesundheit, Glück und Wohlergehen hienieden!"

?Vergelt' Gott Euch alles Gute auf der Erden!" lispelte die Greisin und nippte dann vom goldigklaren Wein.

?Dank' Euch für die frumben Wünsche! In der Ein?d' habt Fr?mmigkeit Ihr nicht verloren und die Gottesfurcht, das will ich loben!" sprach Salome, der es ein wohlig Bedürfnis war, mit den schlichten Leuten aus dem Volk zu sprechen. Zuf?llig richtete Salome den Blick durch das Erkerfenster in den Burggarten, durch welchen Wolf Dietrich in Begleitung des Domkapitulars Lamberg eben schritt. Diese Wahrnehmung veranla?t Salome, dem Greisenpaar zu sagen, da? der Empfang nun wohl in wenigen Augenblicken werde stattfinden, es m?ge sich das Paar daher fertig machen.

?O," meinte die Greisin, ?fertig sind wir allzeit, da giebt's kein Putzen mehr und keinen Tand! Was wir am alten Leibe tragen ist Festgewand und Alltagskleid zugleich! Doch sagt: Er ist wohl ein gestrenger Herr, der Erzbischof? Schlimm wie der Dechant von Werfen? O, das ist ein b?ser Herr, hart und streng, ein Weiberfeind gar wohl!"

?Nun, das ist unser gn?diger Herr gerade nicht!" l?chelte Salome.

Ein Edelknabe ri? die Thüre zur Erkerstube auf und trat dann zur Seite, um den Fürsten und seinen hinterdrein schreitenden Begleiter einzulassen. Wolf Dietrichs rascher Blick nahm sofort Salome und das Paar wahr und verwundert sprach der Fürst: ?Ei, Salome und in Gesellschaft?"

?Verzeiht mir, gn?diger Herr! Das Kuratenpaar von Jodok, müde vom beschwerlichen Marsch wollt' rasch st?rken ich mit einem Labetrunk, eh' vor Euer Gnaden die Leute wollt empfangen! In der Eil' sind in diese Stube wir geraten!"

?Ein Samariterwerk, das zieret Euer warmfühlig zartes Herz! Nun gut, so wollen wir Audienz erteilen gleich in dieser Stub'!"

Graf Lamberg wollte sich zurückziehen, ebenso Salome, doch Wolf Dietrich bat, anwesend zu bleiben. Er winkte lediglich dem Edelknaben, der sogleich verschwand.

Leutselig und herablassend, wohlwollend wandte sich der Fürst an den ehrerbietig und demutsvoll vor ihm stehenden Kuraten: ?Wie lang seid Ihr schon Priester?"

?Hochwürdigste Gnaden, Primiz feierte ich als Jüngling mit zweiundzwanzig Jahren. Lang ist die Zeit seither und um Johanni werd' ich wohl etliche vierzig Jahre Kurat sein in der Ein?d'. Auf der J?hrlein eines oder zwei wei? ich's genau nicht mehr."

?Vierzig Jahre in der Ein?d'!" sprach mit besonderer Betonung Wolf

Dietrich und nickte Salome zu.

Voreilig meinte die Greisin: ?In steter Arbeit, Treu' und Lieb rinnen die J?hrlein wie der Bergbach geschwind!"

Abwehrend dem Redeflu? sprach der Kurat: ?Verzeihet, Hochwürdigste Gnaden! Es ist mein Weib und eilig ist des Weibleins Zunge! Ich bitt', nehmt's nicht ungut, ist halt Weiberart!"

?Sein Weib! Er sagt das ruhig und gelassen; wei? der Kurat nichts von

C?libat und p?pstlicher Verordnung?"

Der alte Leutpriester lie? das Haupt sinken und stand demütig, zerknirscht vor dem Erzbischof. Leise nur wagte er zu stammeln, da? damals, vor reichlich vierzig Jahren der Vorg?nger des jetzigen Dechanten ihn getraut habe, wie es Brauch ist, und keinen Ansto? genommen habe an der Priesterehe.

?Beklagenswerte Zust?nde im Landklerus!" sprach Kapitular Graf Lamberg.

Zitternd blickte der Kurat zum Fürsten auf, in dem das Mitgefühl sich regte und den wohl auch der Gedanke an sein eigenes Verh?ltnis zu Salome bewegen mochte.

Und ehe Wolf Dietrich noch den Mund ge?ffnet, wagte Salome zu sagen: ?Ein von der Kirche gesegneter Bund trotz Vorschrift und p?pstlichem Gebot! Getraut das Paar, glücklich das Eheweib trotz Kummer und Sorgen in langen Jahren! In Armut und Not, wie ausgesto?en von der Menschheit hoch droben in der Ein?de, und doch ein glücklich Weib, getraut von Priesters Hand!" Ein Seufzer begleitete diese Worte. Das Weiblein plapperte eilig: ?I freilich, sch?ne Frau! Zufrieden und glücklich lebten wir in flei?iger Arbeit, haben gedarbt und Gott gepriesen alle Zeit, da? er uns hat zusammengegeben! Glücklich waren wir, bis der schlimme Pfarrherr uns brachte den Unfried in unsere Hütte! O Gott! Was hab' ich da gelitten! Verjagt bin ich worden wie ein r?udiger Hund, ausgetrieben und verflucht, ein Amtsbruder meines Gatten hatt' nur Fluch und Verdammnis für mich, der Dechant, der doch auch Gottes Wort predigen und den Leuten ein gutes Beispiel von der N?chstenliebe geben soll! Ein harter Herr! Gott sei's geklagt! Und bin ich nach seinem Abzug wieder heimgeschlichen, wohin ich geh?re als treues Eheweib, zum Gatten, der jeglicher Pflege bedarf, - kein Stündlein bin ich sicher und sie jagen mich wieder fort und in den Tod! Sagt, sch?ne Frau, mu? ein Eheweib nicht ausharren durch alle Not des Lebens beim Manne, den uns Gott gegeben vor dem heiligen Altar?"

Wolf Dietrich nahm das Wort: ?Das p?pstliche Gebot bestand, es ist ein Konzilsbeschlu?, und für den Kuraten gab's keine exceptio! Geschlossen ist der Bund, der Mensch kann ihn nicht trennen, und wie es ist, geh?rt zum Mann das Weib! Doch seh' ich selbst: Zeit ist's zu schaffen Zucht und Ordnung, das Erzstift mu? purifizieret werden!"

Angstvoll rief Salome: ?Gn?diger Herr!"

Der Fürst verstand den Sinn des Angstrufes gar wohl und erwiderte: ?Beruhige dich, Salome! Nicht will ich grausam trennen ein gottergeben greises Paar, wenngleich nur schlimm kann wirken solches Beispiel! Ich gedenk' in dieser Stunde wohl der Macht der Liebe, die alles überwindet! Bleibt in Ehren ein christlich Ehepaar und dankt der besten Fürsprecherin, die ihr gefunden in Salome!"

Graf Lamberg wollte mahnen: ?Exempla trahunt!"

Lebhafter werdend rief Wolf Dietrich: ?Das mag im allgemeinen gelten, und ich verschlie?e mich nicht der Wahrheit dieses Satzes! Doch will mich bedünken: In jener unwirtlich schaurigen Ein?d' wird die Gefahr der Verführung junger Kleriker nicht werden übergro?. Bleibt der Alte in seinem Bergnest wie zuvor, soll leben er in Gottesnamen mit seinem ehelich angetrautem Weibe. Ein nunqam aber allen andern! So kehret heim mit Gott, ihr alten Leute! Und der Hitzkopf im Widum zu Werfen soll lassen Euch in Ruhe!"

Glückstrahlend haschte das Weiblein nach Salomens H?nden und dankte in innigster Herzlichkeit, indes der alte Kurat den Ku? der Ehrfurcht auf die Rechte des Erzbischofs drückte und seinen Dank stammelte.

Zu Salome gewendet, sprach Wolf Dietrich l?chelnd: ?Hab' ich's nach

Wunsch gethan? Nun aber sorg' für Atzung, schick' das Paar zum

Küchenmeister!"

?O, hei?en Dank, gn?diger Herr und Gebieter!" lispelte erglühend Salome und verlie?, gefolgt von den alten, glückseligen Leuten die Erkerstube.

Der Fürst nahm Platz auf einer Truhe im Erker und lud durch eine

Handbewegung den Kapitular ein, dasselbe zu thun und ihm Gesellschaft zu

leisten. ?Nun, Freund Lamberg? Was sagt jetzund der Kapitelherr von

Salzburgs Stift und Dom?"

?So der gn?dige Fürst und Herr gesprochen, hat der Unterthan nichts zu sagen, zu schweigen und zu gehorchen!"

?Ja, du, Lamberg, bist die treue, einzige Stütze, die ich habe im Kapitel! Allzeit ergeben, gefügig stets dem Willen des Fürsten! Dennoch m?cht' deine Meinung h?ren ich ad hoc! Da? nach Salomens Sinn ich hab' gehandelt, de?' bin ich mir nicht im Zweifel. Die Gute ist beglückt von meinem Spruch und Entscheid zu Gunsten des alten Paares! Was aber sagt mein Freund?"

?Ich fürchte, gn?diger Herr, es ist Zwietracht ges?et in diesem Falle!"

?Nicht Unglück kr?chzen, Lamberg! Du wei?t, ich h?r' derlei nicht gern.

Hab' ich gefehlt nach deiner Meinung?"

?Kaum h?tt' ich anders mich erkl?ret; zu rührend ist der Bund, die Lieb' und Treu des alten Paares! Und dennoch! Es darf das Herz nicht l?nger dominieren, zu arg ist eingerissen all' der Unfug! Es geht nicht l?nger so, und eingreifen mu? des Herrschers Hand kraftvoll und hart, soll Ordnung werden im Erzstift!"

?Ich fühl' es selber und kann nicht l?nger mich verschlie?en solcher

Einsicht!"

?Je früher, gn?diger Herr, desto besser! Und wenn Hochfürstliche Gnaden ein Wort noch wollen mir verstatten, sei es die Bitte: Bleibet fest auch gegen...."

?Du meinst Salome!" sprach hastig Wolf Dietrich. ?Du bist klug und weit reicht dein Blick voraus! Meine sü?e, liebe Salome! Im Widerstreit stehet mir Kopf und Herz! Leicht zu erraten ist, da? Salomens kluger Sinn wird die Konsequenz zu finden wissen. Was ich dem alten Paar verstattet, soll verweigern ich dem Liebsten, was ich hab' auf Erden! Ich soll mir selbst nicht erlauben, wessen ein armes, altes Weib seit einem Menschenalter sich erfreut: der Legitimit?t des Bundes!"

?Nur das nicht, gn?diger Herr! Gedenket allzeit meiner Warnung! Mag paradox es klingen: Die Trauung wird zum Unheil werden meinem gn?digen Fürsten! Drum meidet sie, solang' Ihr atmet!"

Den Blick in die Ferne gerichtet, verstummte Wolf Dietrich und überlie? sich v?llig tiefem Sinnen.

Still sa? ihm gegenüber Graf Lamberg, hoffend auf Erkenntnis der schwierigen Lage seines Gebieters, vertrauend auf die Klugheit des genial veranlagten Fürsten, und doch wieder bangend vor dem Einflu? der sch?nen Salome.

            
            

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